Börsen-Crashes und risikoreduziertes Investieren Teil 5: Risikoreduziert investieren durch Diversifikation
Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,am 10. Oktober war es wieder mal soweit: In einem feierlichen Rahmen wurde der Wirtschaftsnobelpreis 2022 durch die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften verliehen, wobei der Preis an drei Ökonomen ging. Während der ehemalige US-Notenbankchef Ben Bernanke einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, trifft das für die beiden Preisträger Douglas W. Diamond und Philip H. Dybvig eher weniger zu.
Ausgezeichnet wurden die drei Wirtschaftswissenschaftler für ihre Forschungsarbeiten zum Thema „Banken und Finanzkrisen“, wobei Phil Dybvig auch zahlreiche tolle Beiträge zu den Themen Finanzmärkte, Bewertung von Finanzinstrumenten und Portfoliomanagement veröffentlicht hat. Zu nennen ist hier beispielsweise sein sehr häufig zitierter Artikel „Inefficient Dynamic Portfolio Strategies, or How to Throw Away a Million Dollars in the Stock Market“, bereits erschienen im Jahre 1988 in dem amerikanischen A+ Journal „Review of Financial Studies“. In diesem Beitrag stellt Dybvig einen Ansatz vor, mit dem sich die Kosten einer unterdiversifizierten Anlagestrategie messen lassen. Und damit wäre ich auch schon beim Thema meiner heutigen Kolumne – der Diversifikation.
Und hier geht’s weiter …
Im vorangegangenen Teil der Reihe „Börsen-Crashes und risikoreduziertes Investieren“ ging es um das Thema „Risikoreduktion mithilfe von Qualitätsaktien“. Hierbei handelt es sich um die erste Stufe der Risikoreduktion beim boerse.de-Weltfonds. In diesem Editorial geht es nun um die nächste Stufe im Weltfonds um Risiken zu reduzieren, nämlich mithilfe der Diversifikation.
„Don’t put all your eggs in one basket“ …
Der Grundgedanke der Diversifikation wird häufig sehr plakativ mit einem einzigen Satz umschrieben: „Don’t put all your eggs in one basket“ – also dem Ratschlag, nicht „alle Eier in einen Korb zu legen“. Die Empfehlungen zur Risikostreuung sind dabei schon steinalt. So hat laut Duchin und Levy der Babylonier Talmud bereits vor über 1500 Jahren den Rat erteilt, dass ein Mann sein Vermögen je zu einem Drittel in Land, in Güter und Geld aufteilen soll (siehe hierzu den interessanten Beitrag „Markowitz Versus the Talmudic Portfolio Diversification“, erschienen 2009 im Journal of Portfolio Management“).
Motivation zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Diversifikation
Die Anwendung der Diversifikation im Rahmen der Kapitalanlage ist mit einem Namen unzertrennlich verbunden: Harry M. Markowitz. In seinem bahnbrechenden Aufsatz aus dem Jahre 1952 mit dem prägnanten Titel „Portfolio Selection“ ist auch die Motivation für seine Arbeit klar erläutert. In der Finanzierungslehre wurde bis zu diesem Zeitpunkt unterstellt, dass ein Investor seine Renditeerwartungen maximiert, was jedoch im Widerspruch zur bereits damals gängigen Anlagepraxis steht, dass Anleger ihr Kapital auf verschiedene Investments aufteilen.
Würde die Maximierung der Renditeerwartung tatsächlich das einzige Ziel eines Investors sein, so würde er seinen gesamten Anlagebetrag in jenes Asset investieren, das ihm den höchsten zukünftigen Ertrag verspricht. In diesem Falle wäre eine Aufteilung des Anlagebetrags auf verschiedene Anlagen, also die Diversifikation, keine rationale Entscheidung, weil man damit zwangsläufig auch in geringer rentierende Anlagen investiert. Eine Aufteilung auf verschiedene Investments ergibt nur dann Sinn, wenn Anleger risikoavers sind und daher das Risiko der zukunftsgerichteten – und insofern auch unsicheren – Renditeerwartungen in ihren Anlageentscheidungen mitberücksichtigen wollen.
Die Risikoreduktion durch Diversifikation lässt sich messen
Ein zentraler Baustein der Arbeit von Markowitz (der übrigens im Jahre 1990 für seine Leistungen ebenfalls mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde) besteht darin, dass er neben der Renditeerwartung auch das Risiko im Rahmen der Kapitalanlageentscheidung mitberücksichtigt. Als Risikomaß hat er in seiner Originalarbeit aus dem Jahre 1952 die Volatilität bzw. Standardabweichung der Renditen gewählt. Der springende Punkt besteht nun darin, dass die Volatilität eines Portfolios in aller Regel geringer ist als die Summe der anteilsgewichteten Volatilitäten der einzelnen Aktien. „In aller Regel“ bedeutet dabei, dass dieser Effekt dann zu beobachten ist, wenn sich die einzelnen Wertpapiere im Portfolio nicht perfekt gleichgerichtet bewegen, was ja auch der Standardfall ist. Die Risikoreduktion – der sogenannte Diversifikationseffekt – ist dabei umso höher, je unterschiedlicher die Wertentwicklungen der einzelnen Portfoliotitel ausfällt.
Diversifikation intuitiv erklärt
Wenngleich Markowitz die mathematischen Grundlagen zur exakten Berechnung des Risikoreduktions- bzw. Diversifikationseffekts geliefert hat, so lässt sich dessen Potenzial durch einfache Überlegungen auch grob abschätzen. Gehen Sie davon aus, dass Sie eine BMW-Aktie besitzen und eine zweite erwerben. Der Risikoreduktionseffekt ist in diesem Falle null, weil sich beide Aktien perfekt gleichgerichtet bewegen. Erwerben Sie statt der zweiten BMW-Aktie einen Titel der Mercedes-Benz Group, so kommt es zu einem positiven Diversifikationseffekt, weil beide Titel garantiert keine exakt gleiche Kursentwicklung aufweisen werden.
Das geht aber noch besser. Da beide Titel aus der Automobilbranche entstammen, weisen sie auch das gleiche Branchenrisiko auf. Diese Risikoquelle lässt sich ausschalten, indem statt auf die Daimler-Benz-Aktie auf einen Titel des IT-Sektors – z.B. SAP – zurückgegriffen wird. Nun besteht aber noch das Problem, dass es sich bei beiden Aktien um deutsche Werte handelt, die auch im Dax enthalten sind. Während das Branchenrisiko bereits eliminiert ist, verbleibt noch das Länderrisiko. Und Sie werden bereits erahnen, wie sich auch diese Risikoquelle noch eliminieren lässt: Ersetzen wir die deutsche SAP-Aktie durch ein amerikanisches IT-Unternehmen, wie beispielsweise Apple oder Microsoft, so ist auch das Länderrisiko diversifiziert.
Diese intuitive Veranschaulichung soll an dieser Stelle reichen, auch wenn sich der Diversifikationsgedanke noch weiterspinnen lässt. So handelt es sich sowohl bei der BMW-Aktie als auch bei Microsoft um kapitalmäßig große Unternehmen (sogenannte Large-Cap-Unternehmen). Werden hingegen Aktien von großen Unternehmen mit jenen von kleinen Unternehmen (Small-Caps) kombiniert, so lassen sich damit weitere Diversifikationspotenziale heben.
Diversifikation wissenschaftlich erklärt
Für einen Privatanleger ist ein intuitives Verständnis der Diversifikation meines Erachtens völlig ausreichend. Gleichwohl möchte ich Ihnen eine häufig kommunizierte Kennzahl kurz vorstellen, die für die Abschätzung des Risikoreduktionspotenzials maßgeblich ist. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Korrelationskoeffizienten, mit dem sich der (lineare) Gleichlauf zwischen zwei Wertpapieren messen lässt. Diese Metrik kann Werte zwischen den beiden Extremen +1 und –1 annehmen. Bei einem Wert von +1 wird von einer perfekten Korrelation gesprochen, die sich beispielsweise bei zwei BMW-Aktien aufgrund ihrer völlig identischen Renditeentwicklungen, ergibt.
Je geringer nun der Korrelationskoeffizient ist, umso höher ist der Risikoreduktionseffekt. So lässt sich bei einem Wert von nahe null (was als Unkorreliertheit bezeichnet wird) schon eine spürbare Senkung des Risikos erreichen. Wären zwei Wertpapiere mit –1 perfekt negativ korreliert (was sich so nicht beobachten lässt), dann ließe sich damit die Portfoliovolatilität sogar auf null senken (Anmerkung: Wird eine bestimmte Aktie als Long- und gleichzeitig als Short-Position gehalten, so weist dieses Portfolio eine perfekt negative Korrelation auf, was aber an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden soll).
Diversifikation im boerse.de-Weltfonds
Ausgestattet mit einem soliden Grundwissen über die Diversifikation betrachten wir in einem nächsten Schritt die Risikostreuung im boerse.de-Weltfonds. Ausgangsbasis für den Weltfonds ist der jeweils aktuelle Pool an Champions-Aktien, der 100 Titel aus unterschiedlichen Ländern und Branchen umfasst. Per Oktober 2022 beinhaltet das 100 Champions-Universum Titel aus zehn verschiedenen Ländern, wobei die USA aufgrund der zentralen Stellungen des US-amerikanischen Aktienmarktes logischerweise am prominentesten vertreten ist. Die 100 Champions stammen aus sieben verschiedenen Branchen mit einer Dominanz des Technologie-Sektors.
Der Weltfonds besteht aus zwei Teilportfolios – bezeichnet als Basis- und als Aufbauinvestment – die jeweils zu Jahresbeginn mit 50:50 gewichtet werden. Das Basisinvestment-Portfolio umfasst 13 Top-Champions, die losgelöst von der aktuellen Marktphase dauerhaft gehalten werden. Beim Aufbauinvestment-Portfolio wird in bis zu 15 trendstarke Champions-Titel investiert, sofern sich diese in einem deutlichen Aufwärtstrend befinden. Die Trendanalyse im Aufbauinvestment-Portfolio erfolgt auf monatlicher Basis, wodurch sich auch dessen Zusammensetzung von Monat zu Monat ändern kann.
Während sich also die Länder- und Branchenzusammensetzung im Aufbauinvestment-Portfolio monatlich ändert, ist diese im Basisportfolio sehr stabil. Aufgrund der großen Attraktivität von vielen US-amerikanischen Firmen, dominieren auch hier Champions aus den USA in Bezug auf ihrem Portfolioanteil. Nichtsdestotrotz finden sich aktuell im Basisportfolio auch Titel aus der Schweiz, Dänemark und dem Vereinigten Königreich. Was das Thema Branchendiversifikation betrifft, so sind in diesem Teilportfolio die Segmente Technologie, Handel & Konsum, Nahrungs- & Genussmittel, Chemie, Pharma, Bio- & Medizintechnik sowie „sonstige Branchen“ vertreten – also eine gute Mischung.
Wichtig sind in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur die Diversifikationseffekte innerhalb der beiden Teilportfolios, sondern auch jener Risikoreduktionseffekt, der sich durch ihre Kombination ergibt. In der nachfolgenden Abbildung ist die Korrelation zwischen dem Basisinvestment- und Aufbauinvestment-Portfolio im Zeitablauf dargestellt (rollierende Berechnung anhand der jeweils aktuellsten 36-Monats-Renditen).
Wie man aus der Abbildung sehen kann, schwankt die Korrelation – also der Gleichlauf der beiden Portfolios – im Zeitablauf, was auch völlig normal ist. Entscheidend ist jedoch, dass die Korrelation zwischen den beiden Teilportfolios zumeist deutlich kleiner als eins ist, was zu einer spürbaren Risikoreduktion im boerse.de-Weltfonds führt. Dieser Diversifikationseffekt lässt sich anhand der verfügbaren Daten auch klar messen, wobei ich Sie an dieser Stelle nicht weiter mit diesen Details „quälen“ möchte.
Auch wenn mir meine heutige Abhandlung zum Thema „Risikoreduktion durch Diversifikation“ sicherlich keinen Wirtschaftsnobelpreis einbringen wird, so habe ich Ihnen damit aus fachlicher und methodischer Sicht durchaus einiges zugemutet, was Sie mir bitte auch verzeihen mögen. Jedoch sind grundlegende Kenntnisse über die Risikoreduktion mithilfe einer guten Diversifikation von zentraler Bedeutung für den langfristigen Anlageerfolg, oder wie es der Nobelpreisträger Harry Markowitz treffend formuliert hat: „Diversification is the only free lunch in investing“.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg beim risikobewussten Investieren und hoffe, dass Sie – wie in diesem Editorial ausführlich diskutiert – die zentrale Bedeutung einer guten Diversifikation dabei nicht aus den Augen verlieren ...
Auf bald,
Ihr Hubert Dichtl
PS: Sollten Sie Lust verspüren, das Thema „Diversifikation“ gerne persönlich mit mir in lockerer Atmosphäre zu diskutieren, so sind Sie herzlich zu einem der nächsten Rosenheimer Investorenabende eingeladen.
- Teil 1 - Gewinne versus Verluste
- Teil 2 - Was sind "große" Verluste?
- Teil 3 - Methoden zur Risikoreduktion, die im boerse.de-Weltfonds nicht eingesetzt werden
- Teil 4 - Risikoreduziert investieren mit Qualitäts- bzw. Champions-Aktien
- Teil 6 - Risikoreduktion durch Trendfolgestrategien
- Teil 7 - Die Stop-Loss-Strategie - Anspruch und Wirklichkeit